Der Ökonom und Wirtschaftsweise Achim Truger empfiehlt, öffentliche Investitionen systematisch mit Schulden zu finanzieren – und schlägt einen Energie-Soli vor.
wochentaz: Herr Truger, viele sinnvolle Vorhaben lassen sich aufzählen, für die die Bundesregierung zusätzliches Geld ausgeben könnte – Kinderarmut verringern, Schulen und Unis renovieren, in die Bahn investieren, Wohnungen bauen, Industrieunternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen. Ist der deutsche Staat zu arm, um diese Aufgaben zu erfüllen?
Achim Truger: Nein, er könnte die finanziellen Mittel mobilisieren, die er braucht. Aber spätestens seit Ende 2022 macht sich die Bundesregierung selbst arm.
Was meinen Sie damit?
Vor allem Bundesfinanzminister Christian Lindner hat eine Finanzlücke im Bundeshaushalt inszeniert, die er mit bis zu 18 Milliarden Euro bezifferte. Dieser Fehlbetrag war nicht gottgegeben, sondern er wurde politisch erzeugt. Und zwar dadurch, dass die Koalition unbedingt ab 2023 die Schuldenbremse einhalten will und jegliche Reform dieser Regel ausschließt. Die Steuern sollen ebenfalls nicht steigen. Im Gegenteil, Lindner setzte eine Senkung der Einkommensteuer durch, die alleine den Bund etwa 6,5 Milliarden Euro jährlich mehr als nötig kostet.
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Aber vor diesem Hintergrund erscheint es politisch plausibel, dass Lindner allmählich wieder zum Normalzustand ohne neue Schulden zurückkehren will.
Ja, aber man darf es nicht forcieren. Die Energiekrise hält an, die Preise sind hoch. Und die deutsche Wirtschaft hat einen enormen Bedarf an Investitionen, um die Transformation zur Klimaneutralität anzuschieben. Daran sollte sich der Staat orientieren.
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Dann könnten die Milliarden Euro, mit denen Bund und Länder zum Beispiel die neuen wasserstoffbefeuerten Hochöfen in Salzgitter und Duisburg fördern, einfacher aus öffentlichen Krediten bezahlt werden. Wie lautet die grundsätzliche Begründung dafür?
Die sogenannte goldene Regel der öffentlichen Investitionen war früher ein akzeptiertes Kriterium der Staatsfinanzen. Demnach dürfen öffentliche Investitionen, die ja langfristig gesellschaftliche Erträge bringen, mit Krediten finanziert werden. Die Logik: Wir vererben den künftigen Generationen zwar mehr Schulden, dafür bekommen sie aber gleichzeitig eine moderne Ausrüstung von Staat und Unternehmen, was ihren künftigen Wohlstand sichert.
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Während Finanzminister Lindner in vielen Bereichen die Kürzung von Ausgaben durchsetzt, gibt es bei der Schuldenbremse oder höheren Steuern seit Jahren eine grundsätzliche Blockade. Und eine Sparpartei – Union oder FDP – sitzt immer in der Regierung. Wie kommt man da raus?
Nach der Bundestagswahl 2021 waren zunächst pragmatische Lösungen möglich. Die Ampelparteien steckten 60 Milliarden Euro kurzfristig nicht benötigter Kredite in den Klima- und Transformationsfonds, wo sie jetzt finanziellen Spielraum bieten. Ich hoffe, dass sich die Regierung unter dem Druck der Verhältnisse noch mal zusammenrauft und wieder zum Pragmatismus zurückfindet.
Gibt es denn einen Punkt, an dem Sie ein wenig Bewegung sehen?
Kürzlich sendete die Union das Signal, dass ein höherer Spitzensteuersatz denkbar sei. Wobei dieser Ansatz durch Vorschläge für umfangreiche Steuersenkungen an anderer Stelle konterkariert wurde. Und Berlins CDU-Bürgermeister Kai Wegner sagte, man solle die Schuldenbremse für fünf Jahre aussetzen, um mehr öffentliche Investitionen zu ermöglichen.
Im Internetz steht die grünen sind schuld.