“Ablenkungsdebatte”, “unverantwortlich”, “Totalausfall”: Für seine Entscheidung, der Ukraine vorerst keine “Taurus”-Marschflugkörper zu liefern, erntet Kanzler Scholz scharfe Kritik - nicht nur aus der Union, auch aus Teilen der Ampelkoalition.

Der anhaltende Widerstand von Bundeskanzler Olaf Scholz gegen eine Lieferung von “Taurus”-Marschflugkörpern an die Ukraine stößt bei der Union, aber auch in Teilen der Ampelkoalition auf scharfe Kritik. Hier gehe es “nicht um ein einzelnes Waffensystem, da geht es um die Grundhaltung”, sagte der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter im Deutschlandfunk.

Die Bundesregierung sende ein “verheerendes Signal” an Moskau. Mangelnde Entschlossenheit und zähe Diskussionen über Waffensysteme bestärkten Russland nur darin, auf lange Sicht den Krieg gewinnen zu können, sagte Hofreiter weiter.

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Hofreiter sprach mit Blick auf die Geodaten von einer “Ablenkungsdebatte”. Der Grünen-Politiker nannte es “ein großes Problem”, in der Bundesregierung ständig “monatelang über ein Waffensystem zu diskutieren, um es dann zu spät zu liefern”. Es gehe jedoch darum, “Entschlossenheit zu zeigen”, damit Russlands Präsident Wladimir Putin erkenne, dass sich eine Fortführung des Krieges nicht lohne. Deutschland und der Westen müssten die Ukraine “so unterstützen, dass sie den Krieg gewinnen wird”.

“Trotz gehört nicht ins Kanzleramt”

Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisierte Scholz scharf. Sie warf dem Kanzler auf der Plattform X (vormals Twitter) “fortwährendes Zaudern mit fragwürdigen Argumenten” vor. Das Verhalten des Kanzlers sei “unfassbar”. “Trotz gehört in den Kindergarten, nicht ins Kanzleramt”, schrieb sie weiter.

Der FDP-Politiker Marcus Faber warf dem Kanzler vor, die von ihm selbst ausgerufene Zeitenwende zu “verschlafen”.

“Unverantwortlich und kurzsichtig”

“Die Kommunikation der Bundesregierung zu Taurus ist unehrlich”, schrieb auf X der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Die Diskussion über technische Fragen wertete auch er als “Ausreden”. “Scholz hatte nie vor zu liefern, gerade weil Taurus hochwirksam für die Ukraine wäre”, warf Röttgen dem Kanzler vor. Dieses Handeln sei “unverantwortlich und kurzsichtig”.

“Mit der Absage der ‘Taurus’-Lieferung bestätigt Scholz den Totalausfall Deutschlands als selbsternannte Führungsnation für europäische Sicherheit und stößt unsere Partner wie Großbritannien und Frankreich vor den Kopf, die bereits Marschflugkörper liefern”, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter der “Bild”-Zeitung.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach sich für eine “Taurus”-Lieferung an die Ukraine aus. “In Gesprächen mit dem litauischen Außen- und Verteidigungsminister habe ich leider eine Enttäuschung über die Haltung der Bundesregierung wahrgenommen, keine ‘Taurus’-Raketen an die Ukraine liefern zu wollen”, sagte der CDU-Politiker bei einem Besuch in Litauen. Das sei überraschend.

Wenn Kanzler Scholz wirklich einen transatlantischen Schulterschluss zur Bedingung mache, dann solle er entsprechende Gespräche führen. “Die Lieferung von Marschflugkörpern erscheint mir als dringend gebotene Maßnahme zur Rettung von Menschenleben und zur Sicherung von Freiheit im Westen”, fügte Wüst hinzu.

Rückendeckung vom SPD-Generalsekretär

Rückendeckung erhielt Scholz von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. “Wir alle sollten ihm weiter vertrauen, dass er die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit trifft”, sagte er dem TV-Sender Welt. Dies gelte auch für die “Taurus”-Flugkörper. Kühnert verwies auf Sorgen vor einer Ausweitung des Krieges.

Der ukrainische Präsidentenberater Oleksij Danilow bezeichnete die Sorgen auf deutscher Seite als unbegründet. Er sicherte erneut zu, sein Land werde mit “Taurus”-Flugkörpern keine Ziele in Russland angreifen. Es gehe der Ukraine nur darum, die eigenen Territorien zu befreien und “dass es aufhören muss, dass unsere Kinder getötet werden”. Player: audioReaktionen auf Entscheidung gegen Taurus-Lieferungen Hintergrundbild für den Audioplayer | ARD-aktuell

  • @avater
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    Deutsch
    99 months ago

    Eben! Die Russen haben diesen Krieg angefangen, jetzt sollen sie auch die Konsequenzen tragen

    • ToE
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      fedilink
      Deutsch
      -39 months ago

      Ohne ein Richtig oder Falsch zur Entscheidung von Scholz einzugehen oder eiben Vergleich herstellen zu wollen:

      Der Satz “Die … haben diesen Krieg angefangen, jetzt sollen sie auch die Konsequenzen tragen.”, hat mich an die Bombenangriffe auf Hamburg, Dresden usw. in den 40er Jahren denken lassen.

      • @[email protected]
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        fedilink
        Deutsch
        209 months ago

        “Ohne einen Vergleich anstellen zu wollen, hier mein Vergleich”

        Dass unsere Großstädte am Ende in Schutt und Asche lagen, haben wir uns schon schön selber zuzuschreiben. Ist ja nicht so, als wären wir besonders zimperlich oder “ehrenhaft” vorgegangen.

        • @avater
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          5
          edit-2
          9 months ago

          Sehe ich ähnlich! Hitler ist damals auch vom deutschen Volk gefeiert worden, da waren die wenigsten unschuldig und eine ähnliche Situation haben wir nun jetzt auch in Russland. Die stellen sich immer mehr auf Rückkehr zu sovjetischer Größe und Krieg dem Westen ein, das ist eben nicht nur Putin’s Krieg…

          Das soll nun keine Schläge gegen das russische Volk legitimieren, sowas ist immer zu verhindern, aber mein Mitleid hält sich trotzdem arg in Grenzen.

      • @avater
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        Deutsch
        09 months ago

        deleted by creator