Hallo zusammen,
als ich eben auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung unterwegs war, bin ich auf die verlinkte Stellenanzeige gestoßen. Das gesuchte Profil fand ich dabei ziemlich verwunderlich:
Momentan suchen wir junge Menschen, die zu den Landtagswahl in Thüringen oder Brandenburg wahlberechtigt sind, am Wahltag nicht älter als 26 Jahre sind und Lust haben in einem dreitägigen Workshop die Thesen für den Wahl-O-Mat zur entwickeln.
Der Wahl-O-Mat ist aus meiner Erfahrung im Bekanntenkreis ein wichtiges Instrument zum Treffen einer Wahlentscheidung. Wenn in der Redaktion dieses öffentlichen Tools jetzt vornehmlich junge Leute sitzen, führt dies nicht automatisch zu einem gewissen Bias? Wäre es nicht wichtig, bei einem Tool, das von verschiedensten Altersgruppen genutzt wird, auch Perspektiven aus allen Teilen der Gesellschaft einfließen zu lassen? Bei U26 sind Themen wie Bildung, Klimawandel usw. sicher näher am eigenen Leben als bspw. Rente, Barrierefreiheit oder Immobilienthemen. Werden dann nicht schon unbewusst entsprechende Schwerpunkte auf die eigenen Themenbereiche gesetzt?
Ich bin selbst noch recht jung und würde mich auch politisch als ziemlich links einstufen. Eine überproportional junge Redaktion arbeitet also höchstwahrscheinlich zu meinen Gunsten. So wirklich demokratisch erscheint mir das aber ehrlich gesagt nicht.
Und selbst abgesehen von demokratischen Bedenken, finde ich das auch in Bezug auf das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (Altersdiskriminierung) schwierig.
Wie sehr ihr das? Kennt jemand Hintergründe oder war sogar schon mal in der Redaktion dabei?
Ich würde das eher so verstehen, dass die schon genug alte Säcke haben und jetzt noch ein paar Junge suchen.
Naja, weiter oben steht ja auch…
Die Thesen des Wahl-O-Mat entwickelt eine Redaktion aus Jungwählerinnen und Jungwählern, Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Journalismus und Bildung und den Verantwortlichen der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.
Das klingt für mich schon so, als würden explizit nur junge Leute aus der Bevölkerung ausgewählt. Die Experten etc. sind vermutlich älter.
Gut, mag sein. Ich bezweifle aber, dass das das einzige gremium wird.
Die werden sicherlich mehrere personengruppen zusammenschustern, ergebnisse ausarbeiten lassen und letztenendes kommen alle zusammen und erstellen die bewertungsdaten gemeinsam.
Ich glaube nicht, dass sie nur junge leute da ran lassen und dann nedmal mit anderen gruppen gegenprüfen.
Ich denke auch, dass die vermutlich schon genug aus älteren altersklassen haben und schwierigkeiten haben, junge menschen darauf aufmerksam zu machen.
Ich glaube du nimmst hier ziemlich an ohne wirklich konkret was zu wissen. Ich glaube die Menschen würden sich sehr freuen wenn du mal direkt nachfragst und dir deren Beweggründe an hörst.
Wer weiß, vllt sind junge Menschen in dem Workshop unterrepräsentiert, weil da ganz viele alte Expert*innen sitzen?
Ansonsten check ich nicht was daran undemokratisch sein soll, ich finde nach dem Maßstab wäre gefühlt jede Institution undemokratisch einschließlich des Bundestags.
Im Bundestag oder anderen Institutionen sind junge Leute unterrepräsentiert aber nicht, aufgrund irgendwelcher Beitrittsbeschränkungen. Um im Bundestag zu sitzen muss man lediglich volljährig sein. Es gibt aber keine Regel, das man mindestens 60 sein müsste.
Aber ja, ich werde mal direkt nachfragen. Ich rechne aber nicht unbedingt mit einer zeitnahen Antwort.
Das ist insofern Diskriminierung, als dass dann von der Jungen Union keiner mitmachen darf.
Der Wahl-O-Mat war von je her ein Instrument um “Jungwählern” eine übersichtliche Zusammenfassung von Positionen zu geben.
Aber ich glaube deine Bedenken sind unbegründet, weil niemand je 100% bei den Thesen ist. Man merkt das ja meist selbst, dass hinter jeder These eig. ne sehr differenzierte Frage steht, bei dem ein “muss” anstatt “sollte” in der These bereits eine andere Antwort von einem selbst und der Parteien liefert.
Die Stärke des Wahl-o-mat liegt für mich darin, dass ich zu jeder These eine kompakte Begründung existiert. Da muss man sich zu den Punkten nicht selbst das Wahlprogramm geben. (Empfehle ich aber trotzdem. Bei der BTW waren Afd Wahl-O-Mat Antworten nicht unbedingt deckungsgleich mit dem Wahlprogramm)
Was ich eher problematisch finde ist, dass Leute ihre Wahlentscheidung quasi an ein Stück Software auslagern und das wählen, was am meisten Prozente hat
Ich bin so froh, dass wir in der Schule mal das ganze Wahl ding durchgespielt hatten und unser Lehrer uns quasi die Anleitung für “Wie benutzt man den Wahl-O-Mat richtig” mitgegeben hat. Damals hatte gefühlt jeder die meiste Überschneidung mit der NPD, weil die einfach die Software ausgenutzt haben.
In meinen Augen sollte die bpb besser kommunizieren was das Stück Software interessant macht und was die Prozente eig. bedeuten.
Der Wahlomat ist doch sowieso eigentlich nur an Erstwähler gerichtet. Die Absicht ist doch eben gerade diese Kohorte damit den Einstieg zu erleichtern sich über das Wahlangebot zu informieren. Klar kannst du als ältere Person das auch benutzen. Aber die warnen ja explizit auch immer, dass das Ding keine Wahlempfehlungen ausspuckt.
Also der bias ist einfach nur by design.
Ich begreife einfach nicht, warum der Wahl-O-Mat so ein Ding ist. Parteien danach auszusuchen, welche Sorte Honig mir ums Maul geschmiert wird, scheint mir völlig sinnfrei. Wenn überhaupt, dann macht man das wie Dein Wahl.
Dann ergeben sich so meeerkwürdige Diskrepanzen, wie bspw. bei der SPD, die bei mir beim Wahl-O-Mat immer ganz vorne lag und bei Dein Wahl ganz weit hinten neben der NPD.
Ich habe die Frage auch direkt an die BPB gestellt und sehr schnell eine Antwort erhalten. Finde ich super, dass man so schnell und offen Rückmeldung gibt. Das hätte ich von einer Behörde nicht erwartet.
Der Wahl-O-Mat ist als Angebot konzipiert, das besonders junge Menschen auf die Themen der Wahl und die Unterschiede zwischen den Parteien aufmerksam machen soll und so besonders junge Menschen motivieren soll, an der Wahl teilzunehmen.
Erst- und Zweitwähler sind die größte Alterskohorte unter den Nichtwählern (https://www.bpb.de/341117/wahlbeteiligung-und-briefwahl/). Eine frühzeitige Einbindung in politische Willensbildungsprozesse ist für die Verwirklichung einer lebendigen repräsentativen Demokratie elementar: Die Erfahrungen, die Jungwählerinnen und Jungwähler in den ersten Jahren ihrer Wahlberechtigung machen, sind für die Teilnahme an Wahlen in den späteren Jahren häufig prägend. Werden den Jungenwählern bereits am Anfang die Hürden zur Wahlbeteiligung genommen, wirkt sich diese Erfahrung auch in die späteren Jahre hinein aus.
Daher haben wir uns bewusst dafür entschieden, den Wahl-O-Mat auch mit jungen Menschen zu erstellen. Wir schätzen in der Erstellung den unverstellten frischen Blick der jungen Menschen auf die Themen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Formulierung der Thesen und die Auswahl der Themen durch die jungen Menschen profitieren. Sie sind im Erstellungsprozess der erste Prüfstein, ob Themen auch ohne jahrelang erworbenes Vorwissen verständlich und interessant sind.
Daher besteht die etwa 40-köpfige Wahl-O-Mat Redaktion je etwa zur Hälfte aus jungen Menschen und aus Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Journalismus und Bildung sowie den Verantwortlichen der Bundeszentrale für politische Bildung und ggf. der Landeszentrale für politische Bildung.
Ich verstehe den Gedanken dahinter und finde auch das Tool toll. Ich finde es aber trotzdem schwierig, eine so einseitig aufgestellte Redaktion zu haben. Sicher werden die 20 Expertinnen und Experten regulierend eingreifen, um eine bessere Ausgewogenheit der Schwerpunkte sicherzustellen aber dennoch wird die andere Hälfte der Redaktion ja primär “junge” Themen in den Fokus setzen.
Da der Wahl-O-Mat definitiv nicht nur von Erstwählern genutzt wird, sondern in meinem Bekanntenkreis von nahezu jedem, der das Internet nutzt, fände ich eine ausgewogenere Redaktion fairer. Vielleicht bin ich da auch bisschen pingelig aber ich finde gerade bei diesem Tool, was signifikanten Einfluss auf Wahlergebnisse haben kann, muss man allerhöchste Maßstäbe ansetzen.