• Black Cat
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    1210 months ago

    Okay, ich habe jetzt 12 Minuten gebraucht, um den Artikel mit 8 Minuten Lesezeit zu lesen und habe währenddessen dreimal über andere Dinge nachgedacht. Aber ich habe es geschafft, den Impuls zu unterdrücken, zwischendurch aufzustehen und das Zimmer zu verlassen, um etwas nachzugucken. Inzwischen habe ich allerdings auch vergessen, was ich nachgucken wollte.

    Das mit den Sinnesreizen ist ja nun nix neues. Schon als Kind habe ich es gehasst, wenn beim Essen das Radio lief: vor mir Unterhaltungen, hinter mir Gebrabbel. Wie soll man da klarkommen? Zum Glück haben sich meine Eltern früh überzeugen lassen, beim Essen dann das Radio auszuschalten.
    Aber ich habe immer noch Probleme, mich zu konzentrieren wenn im Hintergrund irgendwas deutschsprachiges stattfindet. Vor ein paar Tagen: mein Vater gibt mir eine Zeitung: “Hier, lies mal den Artikel!”. Ich fange an zu lesen, meine Eltern beginnen eine Unterhaltung miteinander. Nach mehreren Versuchen musste ich ihnen mitteilen, dass ich den Artikel nur lesen kann, wenn sie bitte mal die Klappe halten. Zwei überraschte Pikachus blickten mich an. Und das nach Jahrzehnten mit zwei AD(H)S-Kindern…

    • j4yt33
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      Deutsch
      410 months ago

      Hast du Probleme damit, Leute zu verstehen wenn der Hintergrund sehr geräuschig ist? Ich komme damit gar nicht klar. Genauso, wenn ich mit meiner Freundin im Auto bin kann ich mich schwer konzentrieren, wenn sie mit mir spricht und ab und zu das Navi dazwischen redet. Lenkt mich nicht nur ab sondern verursacht wirklich Stress. Ich Frage mich ob das “normal” ist oder Anzeichen für ADD sein könnte. Erkennst du dich da wieder?

      • Black Cat
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        510 months ago

        Im Sinne von “akustisch verstehen” habe ich keine Probleme damit. Es ist die Schwierigkeit, mich zu konzentrieren. Mein Hirn weiß nicht, was wichtiger ist, welchen Reizen es folgen soll. Deshalb hatte ich auch “deutschsprachig” geschrieben. Stell’ einen spanischen Radiosender ein und ich habe keine Problem damit, mich auf eine Unterhaltung zu konzentrieren, weil ich das Hintergrundgebrabbel eh nicht verstehe.

      • Ooops
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        10 months ago

        Ich erkenne da zwei bekannte von mir wieder. In einem Fall ist es eine rein physiologische Hörstörung, im anderen gab’s eine AVWS-Diagnose.

        Wenn das das einzige Symptom ist, dass dir bei dir auffällt, gibt’s da also durchaus alternative Gründe (auch wenn AVWS in Verbindung mit -aber eben auch ohne- AD(H)S auftreten kann).

        • j4yt33
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          110 months ago

          Interessant, danke! Ich glaube Hörvermögen ist nicht eingeschränkt, eher die “Datenverarbeitung”, fühlt sich zumindest so an. King-Kopetzky-Syndrom klingt Recht zutreffend (no pun intended), ich lese.mich mal etwas ein

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    Deutsch
    1110 months ago

    Ich fühle das. Dauert manchmal ewig bis ich alles kombiniert habe. Ich habs gehört, ich habs gesehen, es ist angekommen und liegt nun im Buffer und wartet auf Weiterverarbeitung. Gib mir einen Moment. Dann kann ich drauf reagieren.

    Oder wenn ich Frage ob du das nochmal wiederholen kannst, bitte tu genau das und füge nicht noch mehr hinzu, es lag nicht daran das ich den Sinn nicht verstanden habe, sondern an einem internen Bufferoverflow.

    Gott segne meine Frau für ihre Geduld. Ich liebe sie.

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    Deutsch
    910 months ago

    dass sie allgemein sehr schnell auf Input von außen anspringen. Aber sie brauchen anscheinend länger für die Verarbeitung.

    Wir nehmen deutlich mehr “Rohdaten” wahr, aber das sind oft so viele, dass man sie nicht zusammenwerfen kann.

    Ein Essen im Restaurant klingt dann wie ein Wasserfall, ähnlich, wie wenn man 30 YouTube-Browsertabs offen hat und alle Videos gleichzeitig abspielen.

    Wie können Patientinnen und Patienten im Alltag Reizüberflutung vermeiden?

    Die Tipps waren gut, aber auch nicht sehr konkret.

    Am meisten helfen aber Medikamente (Amphetamine zum Beispiel). Diese stellen den Reizfilter idR. wieder etwas auf ein Durchschnittslevel wieder her. Der mangelnde Filter kann einen in unserer reizüberströmten Welt absolut auslaugen, und die Medikamente geben einem die Kraft, unbeschadeter durch den Alltag zu kommen.

    Mehr Pausen (zum Nichtstun) sind auch notwendig. Wenn wir doppelt so schnell arbeiten, sollten wir auch doppelt so viel Pause machen dürfen. Juckt den AG aber wenig. Man darf halt Pause nicht direkt mit Handy verbinden, den Fehler mache ich selbst andauernd, siehe jetzt. Dann schaltet man während der Pause nicht sonderlich ab.


    Insgesamt sind Neurodiversitäten (Autismus, ADHS, etc.) keine Krankheiten, nur ein Anderssein.

    Vor 5000 Jahren wären wir die absoluten Überficker gewesen. Jeden knackenden Ast und jedes Detail wahrzunehmen und dabei extrem schnell zu handeln ist ein riesen Überlebensvorteil.
    In der U-Bahn macht einen diese Fähigkeit aber krank…

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      510 months ago

      Für den Reizfilter helfen mir die Medikamente nicht so sehr, ich bin aber auch zusätzlich autistisch. Da sind Ohrenstöpsel, Hut und Sonnenbrille deutlich hilfreicher.

      Sie helfen aber eindeutig mit Antrieb und Konzentration.

      • @[email protected]
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        110 months ago

        Same. Aber bei mir erzeugen die, wenn ich mich fokussiere, einen Tunnelblick, wodurch ich manche Sachen leichter ausblenden kann. Ich merke schon, wie die Welt um mich herum etwas stiller wird, wenn sie wirken.

        Was auch noch hilft ist Magnesium, Lithium (als Supplement) und Ballaststoffe.
        Bei den ersten beiden macht mich ein Mangel sehr überreizt (bedingt durch einen anderen Ionenaustausch zwischen den Nerven), und Ballaststoffe sind die Grundbausteine für Darmbakterien, um Serotonin und GABA zu erzeugen, wovon viele Neuroatypische sehr sensibel reagieren und ein Ungleichgewicht einige der klinischen Leidenssymptome verursachen kann.

        • @cactusupyourbutt
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          210 months ago

          dass es stiller wird merk ich hauptsächlich im kopf

          ich wusste bis vor kurzem nicht wie es ist wenn das gehirn endlich mal die fresse hält

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    10 months ago

    Sie sagten, die meisten Kinder mit ADHS weisen im Erwachsenenalter weiterhin Symptome auf. Kann die Störung bei Erwachsenen auch neu auftreten?

    Nein. Zwischenzeitlich glaubte man das. Da haben ein paar große Kohortenstudien für viel Wirbel gesorgt. Als man die Kohorten dann aber noch mal genauer unter die Lupe nahm, wurde deutlich, dass die Studien Schwächen hatten. Inzwischen besteht der wissenschaftliche Konsens: ADHS ist eine Entwicklungsstörung, die spätestens im frühen Jugendalter zu Tage tritt. Es kann höchstens durch ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine schwere Infektion des Gehirns zu ähnlichen Symptomen kommen, aber das ist dann keine ADHS im eigentlichen Sinn.

    Sehr interessant, aber irgendwie widerspricht das meiner persönlichen Erfahrung im Freundes- und Bekanntenkreis.

    • @KISSmyOS
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      8 months ago

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        210 months ago

        Wie hast du das denn geschafft?? Ich (Anfang 30) war bei einer Erstuntersuchung und da wurde mir nach einer Stunde reden gesagt, dass ich kein ADHS haben kann, weil ich ein guter Schüler war und im Studium eine Lerngruppe hatte 🙄🙄

        • @KISSmyOS
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          8 months ago

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            210 months ago

            Was zur Hölle, das familiäre Bild ist fast 1:1 bei mir auch so.

            Kannst du mir die Praxis verraten? Gern auch per PN.

            • @KISSmyOS
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              8 months ago

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                410 months ago

                Das stimmt natürlich. Aber danke dir, ich werde mein Glück mal versuchen :)

    • @[email protected]
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      610 months ago

      Viele Fälle von ADHS-Diagnoses im Erwachsenenalter sind vermutlich nur Spätdiagnosen. D.h. die betroffenen hatten es bereits im Kindesalter, haben es aber irgendwie geschafft, über die Runden zu kommen, bis irgendwann halt einmal die Luft raus war.

      Bei mir lief es auch so.

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      410 months ago

      Es wächst sich nicht raus, man wird nur besser, seine Eigenheiten vor der Gesellschaft zu verbergen.

      Ob das so gesund ist, auf Dauer auf normal zu tun, ist halt die andere Frage.

      • @[email protected]
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        210 months ago

        So verstehe ich den Absatz nicht. Ich lese ihn so, dass Erwachsene kein ADHS bekommen können, wenn sie es nicht bereits im Kindesalter hatten.

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          310 months ago

          So steht es in den Diagnosekriterien, ja. Persönlich denke ich, dass viele Menschen im Kindesalter und jungen Erwachsenenjahren ihre Probleme noch auffangen können, irgendwann aber einfach ausbrennen und dann zusammenbrechen.

    • Black Cat
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      310 months ago

      Es ist ja so, dass man als Kind und Jugendliche*r noch ein starres Gerüst durch die Schule und Vorgaben der Eltern hat. Besonders dem unaufmerksamen Typ, der ja nicht durch Hyperaktivität auffällt, fällt es leichter, sich daran entlangzuhangeln. Viele merken dann erst im Studium, dass da was nicht richtig läuft bei ihnen. Dadurch könnte dieser Eindruck entstehen.